Das große Rätsel um die Google Suchvolumendaten – Theorie und Realität

Website Boosting Magazin Nummer 36
Website Boosting Magazin Nummer 36

In diesem Beitrag geht es nicht um das Keywording für SEO, sondern um eine wichtige Kennzahl: Das Suchvolumen von Keywords bei Google. Seit Anbeginn der Angabe dieses Suchvolumens für ein Keyword taucht immer wieder die Frage auf, ob die Daten wirklich stimmen und verlässlich sind für eine darauf aufbauende Planung. Fast alle SEO-Tools basieren auf den Daten des Google Keyword Planers. Aber was wäre eigentlich, wenn diese Suchvolumen-Daten falsch sind? Christian Paavo Spieker hat mit einem Test Erstaunliches zu Tage gefördert.

Wenn man bei Inhouse-SEO-Workshops großer deutscher Unternehmen die Frage nach der Keyword-Strategie stellt, kommt oft als Antwort des Inhouse-SEO-Teams “Wir machen seit 12 Monaten OnPage-SEO, und da geht es ja nicht um Keyword-Rankings, sondern darum, dass die Website für Google optimiert ist. ” Aha, also keine Rankings, sondern OnPage-Optimierung.

Tatsächlich geht es doch eigentlich immer nur um das eine: “Rankings” von Keywords. Gute Rankings bringen Klicks. Klicks bringen Traffic. Und guter Traffic bringt Umsatz. In der Sache seit 1997 immer das Gleiche.

Viele SEO-Fachleute sprechen von Themen, Termen oder holistischen (ganz unverfänglichen) Ansätzen. Klingt gut, aber so lange Google einen “Suchschlitz” hat und der User dort Text eingibt, geht es im kommerziellen SEO immer noch um ein gutes Ranking der relevanten Keywords für das Produkt oder die Dienstleistung.

OnPage-Optimierung reicht für gute Rankings nicht aus

Letztlich bleibt die Frage offen, welche Keywords bzw. Themen ranken sollen.

Die richtige Keyword-Strategie spart Zeit und Geld

Um für ein Keyword/Thema SEO-relevant zu sein und somit Google Rankings zu erzeugen, muss qualitativ hochwertiger Content erstellt und dieser dann auch verbreitet werden (Seeding). Hierzu ist ein zunehmender Aufwand seitens des SEOs bzw. des Content Marketers nötig. Für ein Traffic-starkes Keyword/Thema werden dann schon 1 bis 3 Manntage benötigt. Es ist also sehr wichtig, die richtigen Keywords für das Projekt zu recherchieren, um Zeit und Geld zu sparen.

Es ist faszinierend: Jeder SEA-Spezialist (Google Adwords-Optimierer) startet mit einem ausführlichen Keyword-Konzept, da er ja nicht auf die falschen Keywords im SEA bieten und auf keinen Fall sein Budget verschwenden will. Eigentlich müsste es im SEO doch genauso sein. Der User ist der Gleiche, die Suchtermini sind dieselben und ob das Geld an Google für Adwords-Klicks bezahlt oder in guten Content investiert wird, ist ja letztendlich egal. Budget ist Budget.

Jedes gute SEO-Konzept sollte mit einem umfangreichen Keywording beginnen

Es gibt verschiedene Herangehensweisen für ein gutes Keywording. Entweder wird der Shop bzw. die Website im Hinblick auf relevante Produkte und Kategorien analysiert, oder die direkten Wettbewerber z. B. in Tools wie dem von Sistrix oder Searchmetrics anhand der Keywords geprüft. Die Vorgehensweise, relevante Keyword zu finden, soll hier aber nicht weiter vertieft werden.

Das erste wichtigste Zwischenergebnis beim SEO-Keywording ist ein Set der relevanten Keywords für die zu optimierende Domain. Das Keywordset kann je nach Projektgröße 100 oder auch mal 250.000 Keywords umfassen.

Meist kommt der Google Keyword Planner ins Spiel

Nun ist das Ziel natürlich, diese Menge an Keywords nach einer Leistungskennzahl zu priorisieren. Hierzu nutzt jeder SEO im ersten Schritt den Google Keyword Planner oder andere Tools. Nur, diese Tools basieren auch auf den Daten des Google Keyword Planners, auch wenn es manche nicht zugeben wollen. Das liegt vermutlich daran, dass Google die Verwendung der Keyword Planner-Daten über die API (Schnittstelle) nur für SEA- / Adwords-Tools erlaubt, nicht aber für SEO-Tools.

Sistrix Index, Searchmetrics Index, Seolytics Index und viele andere Indizes basieren auf den Keyword-Daten wie Suchvolumen, Durchschnittlicher Klickpreis und Wettbewerb des Google Keyword Planners und werden dann mit aktuellen Rankings kombiniert und bewertet.

Das bedeutet, eine der wichtigsten SEO-Metriken der meisten Unternehmen basieren wiederum auf den Google Keyword Planner-Ergebnissen. Wer als Leistungsdaten einen Tool Index (Sistrix, Searchmetrics etc) verwendet, greift also automatisch und unbewusst auf die Werte des Google Keyword Planners zurück.

Die Suchvolumenzahlen des Google Keyword Planners

Der Google Keyword Planner gehört zur Grundausstattung in der Toolbox der Suchmaschinenoptimierung. Und tatsächlich ist er das einzige Werkzeug, das einigermaßen verlässliche Suchvolumina für Keywords liefert; was ja auch logisch ist, da nur Google die Menge der Suchanfragen je Keyword bei Google kennt. Wer dem Planner blind vertraut, ist trotzdem verloren. Denn einige Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen.

Google AdWords rundet Suchvolumina

AdWords verfügt über etwa 85 Werte, die bei einer Suchvolumenabfrage angezeigt werden. Bei einer regelmäßigen Nutzung des Keyword Planners fällt auf, dass bei Suchvolumina im 1.000er-Bereich die Werte grundsätzlich um 100 Suchanfragen sinken oder steigen. Bei 10.000 Suchanfragen ergibt sich bereits ein Schwankungswert von 1.000, bei 100.000 von 10.000 – Ausnahmen kommen vor, bestätigen aber die Regel. Verlässliche Werte bekommt nur, wer sich die Mühe macht, die Suchvolumina der letzten 12 Monate anzusehen und die Abweichung manuell herauszurechnen. Für das Keyword “SEO” weisst Google ein globales Suchvolumen von 550.000 Suchen je Monat aus, wenn man aber die einzelnen Monate addiert (Siehe Tabelle) bekommt man ein gesamtes Suchvolumen von 7.292.000 Suchen im Jahr 2015, wenn man diesen Wert nun durch 12 Monate teilt bekommt man einen Durchschnittswert von monatlich 607.666 wenn man diesen mit der Vorgabe von 550.000 vergleicht ist es eine Differenz von über 10%.

Monatliches Suchvolumen im Jahr 2015 Beispiel: SEO
Januar 2015673.000
Februar 2015550.000
März 2015873.000
April 2015673.000
Mai 2015673.000
Juni 2015550.000
Juli 2015550.000
August 2015550.000
September 2015550.000
Oktober 2015550.000
November 2015550.000
Dezember 2015550.000
<strong>Gesamt 12 Monat in 2015</strong><strong>7.292.000</strong>
&nbsp;&nbsp;
<strong>Das entspricht je Monat 607.666 Suchen</strong><strong>607.666</strong>
Globales SV / Monat laut Google: <strong>550.000</strong><strong>550.000</strong>
Differenz über 10%<strong>57.666</strong>
Globales Suchvolumen/Monat laut Google: 550.000. In der Addition aber über 600.000!
Abbildung 1: Globales Suchvolumen/Monat laut Google: 550.000. In der Addition aber über 600.000!

Der Spielraum durch Schwellenwerte kann bis zu 25% im Suchvolumen ausmachen

Der Keyword Planner arbeitet mit theoretischen Schwellenwerten. Beträgt das Suchvolumen (SV) für ein Keyword zum Beispiel 301.000, wurde es nicht etwa tatsächlich so oft gesucht. Es bedeutet lediglich, dass der Wert näher an 301.000 liegt als am nächst höheren Schwellwert von 346.000. Zwischen der nächst niedrigen Stufe von 265.000 und der höheren ergibt sich eine stattliche Schwankungsbreite von 80.000 Suchanfragen pro Monat!

Abbildung 2 zeigt ein Beispiel für ein niedrigeres SV. Die Schwellenwerte liegen bei 9.900, 12.100 und 14.800 Suchen pro Monat. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass alle Keywords mit dem Schwellenwert 12.100 dasselbe Suchvolumen haben. Tatsächlich erreichen alle nur denselben Schwellenwert. Die Erklärung: Das Suchvolumen der Keywords “search engine marketing”, “international marketing” und “digital marketing agency” ist gemittelt. Es liegt irgendwo zwischen 11.000 und 13.250 Suchen pro Monat. Das ist die Bandbreite die dafür sorgt das das Keyword dem Schwellenwert 12.100 zugeordnet wird.

Häufig zeigen Keywords die gleichen Suchvolumen an. Tatsächlich erreichen sie aber nur nur denselben Schwellenwert.
Abbildung 2: Häufig zeigen Keywords die gleichen Suchvolumen an. Tatsächlich erreichen sie aber nur nur denselben Schwellenwert.

Lückenhafte Keyword-Vorschläge

Mit dem Keyword Planner lassen sich zwar leicht zusätzliche Keywords zu einem Begriff finden. Die Ergebnisse liefern aber leider längst nicht alle Keywords mit hohem Suchvolumen. Das Tool bildet lediglich einen Querschnitt ab, so dass manch relevante Themen vom Radar verschwinden. Wer sich bei der Keyword-Recherche also nur auf den Planner verlässt, wird viele Keywords schlichtweg übersehen.

Beispielvorschläge für das Keyword „SEO“
Abbildung 3: Beispielvorschläge für das Keyword „SEO“
wei durchaus interessante Keywords: “seo agentur” und “seo optimierung” tauchen oben in Abbildung 3 bei den Vorschlägen nicht auf, obwohl sie ein signifikantes Suchvolumen haben und vor allem themenrelevant sind.
Abbildung 4: Zwei durchaus interessante Keywords: “seo agentur” und “seo optimierung” tauchen oben in Abbildung 3 bei den Vorschlägen nicht auf, obwohl sie ein signifikantes Suchvolumen haben und vor allem themenrelevant sind.

Eine Abfrage des Suchvolumens für die Suchterme "1.FC Köln", "1. FC Köln", “FC Köln” und "1 FC Köln" ergibt das gleiche Ergebnis: 165.000 (siehe Abbildung 5). Tatsächlich werden die Terme aber nicht gleich oft bei Google gesucht. Das Tool mappt also bestimmte Keywords zusammen und gibt dasselbe Suchvolumen dafür aus. In der Regel passiert dies bei falsch geschriebenen Keywords bzw. bei verschiedenen, sehr ähnlichen Schreibweisen.

Rechtschreibfehler, Orthographie, Keyword Mapping
Abbildung 5: Rechtschreibfehler, Orthographie, Keyword Mapping

Falsche Vorschläge

Die Keyword-Vorschläge umfassen häufig Ideen, die überhaupt nicht zueinander passen bzw. thematisch völlig unterschiedlich sind. Das liegt daran, dass Google verschiedene Methoden verwendet, um Keywords zu vergleichen. Hier bleibt nichts anderes übrig, als die Listen durchzugehen und unpassende Keywords manuell zu entfernen (Abbildung 6).

Weitere Keywords, die von Google für „Pfannkuchen“ vorgeschlagen werden: Z. B. Kuchenrezept, Backrezepte, Dr. Oetker Rezepte, Krapfen Rezept
Abbildung 6: Weitere Keywords, die von Google für „Pfannkuchen“ vorgeschlagen werden: Z. B. Kuchenrezept, Backrezepte, Dr. Oetker Rezepte, Krapfen Rezept

Die Kür: Keyword-Relevanz über die Google Search Console verfeinern

Wenn alle relevanten Keywords definiert wurden, behelfen sich viel SEO-Profis mit einem weiteren Google-Tool, der Google Search Console, um Keywords weiter auf Relevanz für die eigene Domain anhand der CTR zu priorisieren. Das funktioniert natürlich nur bei Keywords, die schon ein Ranking auf der ersten Seite der Google-Ergebnisse haben. Diese Keywords lassen sich dann anhand der CTR (Klickrate im Google Suchergebnis) qualifizieren. Ein Keyword mit einer hohen CTR hat eine höhere Relevanz für die Domain als ein Keyword mit einer niedrigen CTR – somit ist dieses Keyword in der Strategie bevorzugt zu behandeln. Die Keywords anhand der CTR zu bewerten, ist also auf jeden Fall sinnvoll, um ein perfektes Keywording zu erhalten.

Vorausgesetzt, die Suchvolumendaten sind korrekt, denn die CTR errechnet sich aus Impressions und den Klicks auf das jeweils rankende Ergebnis.

Hoppla, da stimmt was nicht

Sieht man sich die Daten in der Google Search Console genauer an, fallen sofort Ungereimtheiten auf. Als Beispiel dient wiederum das Keyword “SEO Agentur München” bei der Domain “Advertising.de”. Das durchschnittliche Ranking von 3,7 ist natürlich sehr gut, aber warum liegt die CTR (Klickrate) nur bei 1,06 %? Das würde bedeuten, dass etwa einer von 100 Suchenden auf das Ergebnis klickt? Auf Position 3 müsste die Klickrate um ein Vielfaches höher sein.

Nur einer von 100 Suchenden klickt laut Google Search Console nach Suche von “SEO Agentur München” auf des Ergebnis der Advertising.de, obwohl die Durchschnittsposition 3,7 ist. Das scheint zu schlecht.
Abbildung 7: Nur einer von 100 Suchenden klickt laut Google Search Console nach Suche von “SEO Agentur München” auf des Ergebnis der Advertising.de, obwohl die Durchschnittsposition 3,7 ist. Das scheint zu schlecht.

Viele SEO-Spezialisten würden jetzt sagen, der Snippettext ist nicht gut oder das Keyword hat einfach keine so hohe Relevanz für Advertising.de, also würde das Keyword “SEO Agentur München” aus der Liste der wichtigsten strategischen Keywords entfernt werden. Das wäre ein folgenschwerer Fehler, da das Keyword sehr wohl eine hohe Relevanz für die Domain hat. Der Grund für die schlechte CTR von nur 1,06 % könnte aber auch viel einfacher sein: Die Impressions in der Google Search Console sind schlichtweg nicht von echten Google-Nutzern erzeugt worden, sondern durch maschinelle Abfragen der Rankingtools. Da diese Tools (auch Scraper genannt) keinen Klick auslösen, steigen natürlich die Impressions stark an und die CTR fällt.

Die Daten für “SEO Agentur München” im Detail

Im Google Keyword Planner werden für das Keyword “SEO Agentur München” im November 2015 nur 320 Suchen ausgewiesen, in der Google Search Console lassen sich über 1.200 Impressions nachweisen. 1.200 User die in einem Monat nach “SEO Agentur München” suchen? Nicht realistisch. Wenn nun aber täglich 20 Scraper der SEO Tools das Keyword “SEO Agentur München” abrufen, entspricht das schon 600 Impressions in der Google Search Console. In der Realität sind es auch deutlich mehr maschinelle Suchanfragen, da es SEOs gibt, die die Rankings nicht nur täglich, sondern auch schon stündlich abrufen. Google versucht natürlich die maschinellen Suchanfragen zu erkennen und zu unterbinden, dies ist aber technisch nur sehr schwer möglich. Aber warum ist die Anzahl der Suchanfragen (Impressions) in der Google Search Console deutlich höher als im Google Keyword Planner - 320 zu 1.232? Ist Google also doch in der Lage, die maschinellen Suchanfragen zu erkennen und ignoriert diese bei der Suchvolumenberechnung im Keyword Planner, belässt sie aber in der Search Console?

Wenn man bei Google anfragt, erhält man die Antwort, die Suchvolumendaten im Tool würden schon stimmen, seien aber gerundet. Eine Rundung, die 50% ausmacht? Das ruft geradezu nach einem eigenen Test.

“SEO Agentur München” im November 2015
Abbildung 8: “SEO Agentur München” im November 2015

Ein Test mit maschinellen Suchanfragen

Mitte des vergangenen Jahres wurde vom Autor und seinem Team ein Test bei Keywords mit einem niedrigen AdWords-Suchvolumen von 100 bis 400 Suchen pro Monat gestartet. Mittels Full Stack Browser wurde “seo karlsruhe” bis zu 30-mal pro Tag automatisiert gesucht. Die Simulation entspricht dem Vorgehen vieler Ranking-Tools bei dem Ermitteln der Top-100-Ranking-Daten.

Wenige Monate später wurde geprüft, wie sich die Suchvolumina dieser Keywords geändert haben. Ein Beispiel: Das Keyword “Seo Karlsruhe” stand im März bei einem Suchvolumen von 30, im Testzeitraum April dann aber bei 390. Im Mai ist es wieder stark gefallen (Abbildung 9). Auch bei anderen Versuchen ist das Volumen etwa um den Wert angestiegen, welcher der Anzahl der Abfragen entsprach.

Keyword “Seo Karlsruhe” - im März war das Suchvolumen bei 30, im Testzeitraum April dann aber bei 390. Im Mai ist es wieder stark gefallen.
Abbildung 9: Keyword “Seo Karlsruhe” - im März war das Suchvolumen bei 30, im Testzeitraum April dann aber bei 390. Im Mai ist es wieder stark gefallen.

Fazit

Google ist es trotz aller Bemühungen, maschinellen Traffic zu erkennen, offenbar noch immer nicht möglich, maschinelle Suchanfragen zu filtern und vollständig aus den Suchvolumina zu entfernen. Die Daten im Google Keyword Planner werden nicht nur durch Schwellenwerte und Rundungen verfälscht, sondern auch noch durch maschinelle Suchanfragen manipuliert. Die größte Verfälschung gibt es natürlich bei trafficstarken Keywords, da diese in einer hohen Anzahl von Ranking Tools abgefragt werden. Im Longtail (eine Suchphrase mit mehreren Worten) sind diese Zahlen deutlich valider und können deshalb besser für die Keyword-Strategie verwendet werden.

Ein abschließender Tipp: Eine einfache, wenn auch nicht immer ganz günstige Lösung um die Relevanz von Keywords für das eigene Projekt zu ermitteln, ist nach wie vor das echte Schalten von Google AdWords. Mit einer AdWords-Kampagne des zu prüfenden Keyword Sets ist es möglich, die Relevanz der Keywords zu ermitteln, da in AdWords (fast) nur echte User klicken.